Maarja Nuut feat. Hendrik Kaljujärv

ArenAkustik im Volksbad

Einige Zuhörer, erzählte Maarja Nuut einmal, hätten ihr nach einem Konzert berichtet, ihre Musik erinnere sie an die Untermalung mysteriöser Märchen. Sie hätten zwar kein Wort des Textes verstanden, aber ein tiefes, vielleicht einfach unübersetzbares Gefühl des Einklangs hätte sich ausgebreitet.

Das mag eines der schönsten Komplimente für Maarja Nuuts Musik sein, und es trifft den Kern: Maarja Nuut schreibt nicht einfach nur Lieder, sie entwirft komplette (Klang-)Welten. Wenn sie ihre Geige ansetzt, dazu ihren kleinen elektronischen Maschinenpark anwirft und zu singen beginnt, fragt man sich ein jedes Mal: Sind das uralte Volksweisen? Oder sind das sphärische Klänge aus einer fernen Zukunft? Maarja Nuuts Musik lebt zu einem Großteil vom Mysterium – oder vielmehr von all den Geschichten, die sie eben NICHT direkt erzählt. Geschichten, die stattdessen, ganz individuell und unwillkürlich, im Kopf eines jeden Zuhörers wachsen.

Die am tiefsten reichenden Wurzeln ihrer Musik sind mit Sicherheit in Maarja Nuuts estnischer Heimat zu finden. Hier sangen die Menschen vor fast 30 Jahren verbotene, traditionelle Volkslieder gegen die sowjetische Vereinnahmung und setzten damit ihre „singende Revolution“ in Gang. Und hier fand Nuut, die zur Zeit dieser Ereignisse noch ein kleines Kind war, auch zahlreiche Geschichten, Melodien und Volkweisen, die sie heute in ihren Liedern verarbeitet. Es ist dasselbe Reservoir, das auch die spirituellen Werke des großen estnischen Komponisten Arvo Pärt speist.

Maarja Nuut zieht dieses Erbe mit ihrer Musik radikal in die heutige Zeit, sie nutzt alle technischen Möglichkeiten und kreiert ihren eigenen, ganz subjektiven Stil. Ihre höchst intimen, sparsam instrumentierten Lieder erinnern sicher nicht durch Zufall ein wenig an die Schamanengesänge Mari Boines, die wiederum die Musik der Samen Nordfinnlands und -norwegens als Grundlage nutzte. Hier öffnen sich Welten, die weit jenseits simpler, übersetzbarer Sprache wirken.